Einfach immer in Gang bleiben
Zu Besuch bei einem der ältesten Mitglieder bei der WoGe
Der Kaffee ist frisch aufgebrüht und der Tisch liebevoll gedeckt. Auf einem kleinen Gugelhupf prangt die dreistellige Zahl in Kerzenform. Wir sind zu Besuch bei einer der ältesten WoGe-Mieterinnen, Hildegard Sahr, die am 23. November 2019 ihren 100. Geburtstag feiern konnte. Die Familie kam an ihrem Ehrentag zum Essen im Fischereihafen zusammen und auch der Oberbürgermeister gratulierte. „Die Stadt Bremerhaven hat einen wunderschönen großen Korb geschickt. Aber ich wollte keinen Besuch und keinen großen Artikel in der Zeitung.“
Seit sechs Jahren wohnt Frau Sahr bereits in der Bergstraße in ihrer 2-Zimmer-Wohnung im ersten Stock. „Mit 94 Jahren bin ich von der Wismarer Straße 9 hierher umgezogen. Die Wohnung war für mich allein zu groß. Da haben sich viele Leute gewundert, dass ich das in dem hohen Alter noch mache.“
Am 23. November 1919 kam Hildegard Sahr in Gotha zur Welt. Mit 10 Jahren zog sie mit ihren Eltern nach Bremerhaven. Die Stadt blieb bis heute ihre Heimat. 1938 traten sie und ihr Mann damals in die WoGe ein. „Bauverein – so hieß die WoGe damals,“ erinnert sich Frau Sahr. Ein Jahr später folgte der Einzug. Es gab so kurz nach dem Krieg nicht viele Wohnungen in Bremerhaven. Vieles war zerstört.


Lebhafte Erinnerung an Bremerhaven im Wandel
„Wir hatten großes Glück und bekamen eine Wohnung Am Oberhamm. Das war damals der allererste Neubau. Das Eis stand an den Wänden. Es gab weder Haustür noch Flurtüren. Aber wir hatten ein Dach über dem Kopf.“ Das Haus wurde während der Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg zum Glück verschont. In dieser Zeit wurden die Miete und der Mitgliedsbeitrag noch persönlich kassiert. Während sie uns Kuchen abschneidet, erzählt sie vom „Gewicke“, einem imposanten Mann, immer mit Zylinder und Stock, der monatlich am Sonntag zu allen Mietern ins Haus kam und den Mitgliedsbeitrag abholte. „35 Mark Miete im Monat zahlten wir damals. Das kann sich heute keiner mehr vorstellen.“


„Ich habe viel von der Welt gesehen und bin zufrieden.“
Später zog Frau Sahr mit ihrer Familie in die Wismarer Straße 9. Dort wuchsen auch ihre beiden Kinder auf. Ihr Mann verstarb bereits im Alter von 66 Jahren – viel zu früh. „Mein Sohn wohnt im Schwarzwald, meine Tochter in Trier, die Enkel in Göttingen und im Rheinland. Zwei Urenkel habe ich auch.“ erzählt sie stolz.
Bei der Frage, wie man 100 Jahre alt wird und dabei so rüstig bleibt, muss sie nicht lange überlegen: „Immer in Gang, immer in Bewegung bleiben! Ich war mein ganzes Leben lang auf den Beinen, immer aktiv. Bis vor Kurzem war ich noch regelmäßig in einer Tanzgruppe.“ Sie selbst geht täglich „ihre Runde“. Ist das Wetter nicht so gut, bleibt es beim kurzen Spaziergang um den Block. Ihr Lieblingsplatz bei schönem Wetter ist der Holzhafen.
Hat man mit 100 Jahren noch Wünsche und Träume? Frau Sahr hat noch lange nicht alles erlebt. Von der Welt hat sie viel gesehen. Zuletzt war ich mit 95 Jahren auf Teneriffa, doch eines konnte sie sich bislang nicht erfüllen. Ihr größter Traum wäre es, einmal nach St. Petersburg in Russland zu reisen. „Das werde ich wohl nicht mehr erleben“, meint sie zweifelnd. Wer weiß? Wir würden es Frau Sahr auch mit 100 Jahren glatt zutrauen und wünschen ihr weiterhin viel Gesundheit.